Aus dem Krieg kommen wenige.
Bezugnehmend auf Aurelia Meinharts Arbeit verfasst Michael Lehofer folgenden Text.
Aus dem Krieg kommen wenige. Die einen, die im Krieg geblieben sind, sind gefallen, die anderen sind dazu verdammt, immer daran zu denken, darüber zu sprechen, darüber zu träumen. Manche, die im Krieg geblieben sind und überlebt haben, schweigen darüber. Sie schweigen über sich, im Kriegsgeschehen sind sie sich und den anderen für immer verborgen geblieben.
Viele von denen, die den Krieg überlebt haben, beschreiben den Krieg als die letzte Zeit in ihrem Leben, in der sie noch am Leben waren. Es ist nicht leicht zu leben, und das meiste von einem ist schon tot.
Manche hängen am Leben, weil sie die Hoffnung nicht aufgegeben haben, ihr eigenes Leben würde aus der Kriegsgefangenschaft zurückkehren. Sie glauben an Wunder. Wir wissen alle, wie oft Wunder passieren.
Die Kriegsbriefe an die Frauen und Mütter sind tapfere Briefe. Die Kriegsberichterstattung des Herzens ist anders als alles, was wir sonst kennen. Die Hoffnungslosen trösten, die Ängstlichen ermutigen, die Verwundeten verarzten. Da zeigt sich: Es steht uns nur eine Möglichkeit offen, nämlich die, in der Hinwendung heil zu werden.
Lebensgefahr und Todesangst sind Lebensgefährten, die man nicht mehr los wird. Man kann sie nicht abschütteln. Man kann sie übertünchen. Aber nach dem nächsten Regen ist alles abgewaschen, und man sieht sie wieder, glasklar und bedrohlich. Man kann sie übertünchen mit Alkohol, Arbeit, Ideologien, Verbrüderungen. Nichts hilft, was helfen sollte.
Schließlich ist die innere Starre nicht zu übersehen. Ein Leben zu leben mit einem lebendigen Körper und mit einer Psyche, die totenstarr ist, das zerreißt einen fast. Da genügt nicht viel und man holt nach, was man im Krieg vermeiden konnte.
Die anderen verstehen nichts, die Einsamkeit ist unerträglich. Nur bei den Kameraden gibt es ein stilles Einverständnis, das Bewusstsein des gemeinsamen Geheimnisses. Die Totenfeier des eigenen Lebens ist der Rest des Lebens, der noch geblieben ist, eine Verheißung des Vergangenen.
Aus dem Krieg kommen nur wenige.
1 Kommentar
Liebe Aurelia,
liebe Mitreisende!
danke für die eindrucksvollen Reiseberichte, die wir nun täglich verfolgen werden.
Schönes Wetter wünscht Gundi, Erwin und Max Brunnmair
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